Was wollen Streckensperrungen für Motorradfahrer im Kern denn wirklich? Der Winter hält den Schwarzwald noch fest im Griff, doch die Polizei plant schon den Frühling. Die Schwarzwaldhochstraße, also der Abschnitt der B500 zwischen Baden-Baden und Freudenstadt, die soll „an bestimmten Tagen“ gesperrt werden für Motorräder. So zumindest die Frühjahrsgefühle des Polizeipräsidiums Offenburg. Der ewige Grund: Es sind dort Unfälle passiert. Der Grund kann nur ein vorgeschobener sein, denn mit so einer Argumentation müsste man jede Straße, an der je ein Unfall passiert ist, für alle Fahrzeuge vergleichbar der verunfallten Art sperren. Mit Unfällen kann man jeden Einschnitt ins Verkehrsgeschehen rechtfertigen, genauso wie man mit Kindern jeden Einschnitt in die Kommunikationsstruktur rechtfertigt. Bei Streckensperrungen für Motorräder geht es meistens um Lärm, der doppelt krass wahrgenommen wird in den ruhigen, schönen Gegenden, in denen die Straßen kurvig werden. Für solche Vorhaben ein paar Leute zusammenzutrommeln, ist nicht schwierig, weil Motorradfahren sowieso mehrheitlich als anachronistisch oder zumindest gesellschaftlich unpassend wahrgenommen wird. Eine Gegengruppe bildet sich meistens auch, aber eine zuverlässig kleinere, denn der Anteil an Motorradfahrern in jedem ausreichend großen Bevölkerungspanel ist gering. Und wenn eine Streckensperrung einmal aktiv wurde, dann bleibt sie bestehen bis ans Ende der Tage oder zumindest, bis die Verbotsschilder verrostet sind. Im Odenwald wird auf Schilder geschossen Die höchste Dichte wochenends gesperrter Strecken findet sich im Odenwald. Auf Recherchereise mit einem Local fuhren wir eine Strecke entlang, deren vermoostes, verrostetes Verbotsschild wahrscheinlich zum Wirtschaftswunder aufgestellt wurde. Entlang der gesamten Strecke sah ich keine Gebäude oder Picknickplätze oder überhaupt Menschen. Die Gruppen, die sich hier einmal gestört fühlten, sind wahrscheinlich längst weitergezogen. Nur ihr Wirken bleibt uns in Form der gesperrten Strecke erhalten.
Denn eine einmal gesperrte Strecke gerät umgehend zur neuen Normalität. Die ersten paar Wochen hält die Polizei noch Kontrollen ab. Hat sich die Sperrung herumgesprochen, kommt kein Kradfahrer mehr. Die Kontrollen entfallen. Ich persönlich fahre deshalb keinen Umweg, wenn mich mein TomTom wochenends eine für Motorräder gesperrte Strecke entlangführen will. Wahrscheinlich drehen sich erwirkte Streckensperrungen meistens um einige wenige Personen, die ihre Nachbarn mitziehen in Dinge, die sie sonst beim samstäglichen Rasenmähen des Nachbarn oder dessen Laubgebläse verbucht hätten: akustische Reibereien des täglichen Zusammenlebens, Alltag. Im Herbst wurde ich das erste Mal an einem Wochenende an einer gesperrten Strecke kontrolliert. Es war oben am Krähberg, an dem offenbar so viele das Fahrverbot ignorieren, dass sich die Kontrolle wieder lohnt. Der Bürgermeister habe dafür gesorgt, dass hier kontrolliert werde, sagt der resigniert klingende Beamte. Wir sehen des Bürgermeisters Haus, direkt an der Straße. Er möchte ein leiseres Wochenende. Es sei ihm gegönnt. Aber dann muss er da anders rangehen. Denn was wir am Krähberg wochenends trafen, und auf der Neuffener Steige und wahrscheinlich überall, waren hocherfreute Autos-zum-Spaß-Fahrer. Ohne Motorradfahrer gibt es mehr Platz für Sportwagen. Da röchelt die Akrapovic-Anlage am Auto, was den Fahrer wahrscheinlich freut, aber den Anwohner weniger.
Denn im Prinzip, und das ist das Tragische, richten sich die Fahrverbote nicht gegen eine Fahrzeugart, sondern gegen eine Art Mensch – gegen Idioten nämlich. Das kann außer dem rücksichtslosen Motorradfahrer auch das Thumpmobil sein, der 3er mit Krawallo-Auspuffanlage oder schlecht gewartete Reisemobile, die ihre Pfunde in Fahrt in Form von Anbauteilen von sich werfen. Rote Karte, du Idiot! Eine Aussage mit „es gibt viele Einspur-Idioten“ würde ich jederzeit unterschreiben. Aber unser Hobby erhebt keinen Monopolanspruch auf die Idiotie, das ist absurd. Schon die Pläne des Polizeipräsidiums belegen eindeutig das Gegenteil. Streckensperrungen sind Sache der Kommunen. Sie könnten auch anders rangehen. Wie wäre es statt der üblichen Fahrzeug-Sippenhaft mit Platzverweisen? Bisschen über die Stränge schlagen – gelbe Karte. Sehr asozial alles stark übertreiben oder drei gelbe Karten – rote Karte mit Streckenverweis für ein Jahr. Dann eben mit einer schweizerisch saftigen Sanktion, wenn der vom Platz geschickte Fahrer doch beim Ignorieren erwischt wird. Natürlich wird das nicht kommen. Schilder sind viel einfacher. Deshalb zum Schluss zwei Daten zur eigenen Entscheidungsfindung: Das Verbotsschild missachten kostet nach der Preiserhöhung 25 Euro. Dafür bin ich zum Beispiel zehn Jahre lang gesperrte Strecken gefahren.